Wir bringen die Treppe zum Tanzen

Wir bringen die Treppe zum Tanzen

Wie kommt man eigentlich auf den höchsten Gipfel Sachsens? In dem man nach Oberwiesenthal fährt und von dort auf den Fichtelberg wandert? Weit gefehlt, denn der eigentliche Gipfel der sächsischen Sportwelt liegt im beschaulichen Radebeul, unweit von Dresden. Und hier, in der sächsischen Kleinstadt steht ein Gipfelkreuz welchen den Läuferinnen und Läufern des Mt. Everest Treppenmarathons bescheinigt, in den letzten Stunden 8848 Höhenmeter bewältigt zu haben, dabei ganz nebenbei einen doppelten Marathon (84,3km) gelaufen zu sein und dafür fast ausschließlich Treppen stieg.

Die drei Roten Socken Josef, Christoph und Alexander haben sich nach 2012 auch im Jahr 2013 wieder auf den Weg nach Sachsen gemacht um als Dreierseilschaft beim 9. Sächsischen Mt. Everest Treppenmarathon teilzunehmen. Pünktlich 22 Uhr fiel der Startschuss und der erste Läufer der Roten Socken stürzte sich mit weiteren 16 Läuferinnen und Läufern der anderen Staffeln zuerst 397 Stufen der Spitzhaustreppe hinab ins Tal um dort eine kleine Schleife zu laufen und anschließend die Stufen in nicht mehr ganz so schnellem Tempo aufwärts zu bewältigen. Und schon waren es nur noch 99 Runden. Immer fein der Reihe nach: erst Alex, dann Christoph und anschließend Joe.

Wenn man das erste Mal an die Spitzhaustreppe und nach Radebeul kommt, fallen einem sofort die vielen kleinen hübschen Häuser, die wunderschönen Weinberge und vom Spitzhaus der fantastische Blick ins Elbtal bis nach Dresden auf. Während des Laufes selbst unterscheiden sich die Wahrnehmungskräfte der Läufer und deren Sinn für ihre Umgebung dann jedoch erheblich.

Nicht zu übersehen und zu überhören ist auch dieses Jahr der Fanclub. Dank der Linksjugend Sachsen haben wir dieses Jahr sogar eigene Plakate am Start. Der sonderbare Anwohner welcher den Veranstaltern untersagt, ab 22 Uhr zu moderieren oder gar Musik zu spielen, damit seine himmlische Nachtruhe nicht gestört wird, bekommt vom Fanclub bis weit in die Nacht dann auch noch Lieder zum Einschlafen gesungen. Wie im letzten Jahr erhält jede der drei Roten Socken in jeder Runde ein eigenes Lied – passend zum Lauf und zum Starter selbst.

Nachdem sich der Fanclub von der Kälte durchgefroren nach vier Stunden in das Nachtquartier zurückgezogen hat, legt sich Stille über das Elbtal – maximal unterbrochen vom schniefen der Läuferinnen und Läufer. Der Rückzugsort für die Staffeln wird das Verpflegungszelt welches von vielen freiwilligen Helferinnen und Helfern die ganze Nacht zum Hauptanlaufpunkt für die Staffeln aber auch für die Einzelstarterinnen und Einzelstarter wird. Letztere laufen bereits seit 16 Uhr. Hier gibt es liebevoll geschmierte Brote, Pasta, selbstgebackene Kuchen, Brühe, Kaffee, Wasser, Cola, Saft und viele aufmunternde Worte.

Während sich ein paar Läuferinnen und Läufer in den frühen Morgenstunden des Sonntags über die ersten singenden Vögel und den Sonnenaufgang freuen, kämpfen die anderen mit der Müdigkeit und fragen sich, wie lange das Rennen wohl noch dauert und warum man sich das eigentlich wieder einmal antut. Stimmt‘s Christoph?

Als die Sonne dann letztendlich auch wieder auf den Weinberg scheint, verfliegt auch die Müdigkeit wieder, die Zeiten werden schneller und der Fanclub kommt langsam wieder zurück an die Treppe. Alex erntet nach 75 Runden verstörte Blicke als er schon voller Vorfreude vom nächsten Treppenmarathon 2014 berichtet – wenngleich die drei Roten Socken bis auf weiteres einen Einzelstart bei diesem Lauf ausschließen. Allerdings soll man ja bekanntlich niemals nie sagen. Zu dieser Zeit ist steht auch schon der Sieder der Einzelstarter fest und die führenden Staffeln liefern sich ein spannendes Rennen.

Veranstaltungen wie der Sächsische Mt. Everest Treppenmarathon sind die wahren Perlen der Laufszene. Hier machen sich ganz viele Leute ganz viel Arbeit um eine liebevolle Veranstaltung auf die Beine zu stellen, den Aktiven bestmögliche Bedingungen zu bieten und durchleben dabei auch selbst ihren kleinen Ultramarathon. Denn nach 24h ist im Gegensatz zu den Läuferinnen und Läufern noch lange nicht Schluss für die Menschen von der Orga – von der Arbeit vor dem Lauf ganz zu schweigen. Den Applaus ernten zumeist jedoch nur die Sportlerinnen und Sportler, weswegen es den Roten Socken ein tiefes und inniges Bedürfnis ist einen riesen Applaus, verbunden mit einem ganz großem Dankeschön an die Veranstalterinnen und Veranstalter zurückzugeben. Ebenso ein dickes Dankeschön gilt dem Maskottchen, der kleinen Clara, welche Jahr für Jahr am Fuß der Treppe sitz, die Aktiven anfeuert und ihnen in der letzten Runde einen blühenden Kirchzweig als Anerkennung in die Hand drückt.

Um 12.31 Uhr nach über 14 ½ Stunden haben auch die Roten Socken ihren Gipfel erreicht – jeder der Läufer hat zu dieser Zeit 33 bzw. 34 Runden in den Beinen und ist damit ca. 28km gelaufen und hat dabei fast 26‘500 Stufen betreten (die Hälfte davon ging es runter, die andere hinauf). Gleichzeitig verbesserten die Läufer damit ihre Zeit aus dem Vorjahr um ca. 15 Minuten.

Beim Finisher-Bier mit Blick auf die Treppe wurden auch all diejenigen Läufer angefeuert die noch ihre letzten Runden bewältigten und gerade die Einzelgängerinnen und Einzelgänger, welche teilweise wirklich sichtbar auf dem Zahnfleisch gingen erhielten besonders laute Anfeuerungsrufe. Völlig fassungslos beobachtete die Gruppe dabei auch einen Läufer, welcher seine 100 Runden schon längst absolviert hatte und nun einfach aus langer Weile und zum Auslaufen noch 15 weitere Runden auf der Treppe drehte. Toll war es auch zu sehen wie seit dem Vormittag eine Tochter ihren Vater welche die 100 Runden allein absolvierte, Runde für Runde motivierte weiter zu laufen in dem sie ihn an die Hand nahm und selbst ihren eigenen Treppenmarathon bewältigte um gemeinsam mit ihrem Vater ins Ziel zu laufen.

Auch wenn es dieses Jahr ein wenig länger dauerte als letztes Jahr: nach rund zwei Wochen murmelte Joe etwas von Oldenburger Gesetzen und teilte breit grinsend mit, dass es da nächstes Jahr am 12./13. April einen Termin für die Roten Socken in Radebeul gibt.

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