Länger Genossen

Länger Genossen

Der 19. Rennsteigstaffellauf wird in die Geschichtsbücher der Socken eingehen – so viel Drama war noch nie. Dabei war eigentlich alles wie immer: Die meisten der zehn Laufsocken attestierten sich selbst bereits Wochen vor dem Startschuss eine katastrophale Form, ergaben sich jedoch lieber ihrem Schicksal, anstatt daran noch etwas zu ändern. Steffen musste wie in den letzten beiden Jahren auch in diesem Jahr die schwerste Etappe laufen und im Rennsteigsaal zu Blankenstein klingelte 3:30 Uhr der erste Wecker. Als dann 4:10 Uhr das Licht den Saal in seiner vollkommenen Schönheit erschienen lies, brachen dann auch alle Schweigegelübbte der Mixed- und Frauenstaffeln.

Nichts davon konnte die Socken schocken und so startete Alex 6 Uhr auf den ersten Abschnitt, welche gefühlt ausschließlich aus Anstiegen besteht, nichtsdestotrotz natürlich kein Vergleich zu Steffens Etappe ist. Erschrocken musste der Startläufer jedoch feststellen, dass die Etappe 1,2km länger war und er den Zielsprint deutlich zu früh angesetzt hatte. Auf dem Feld nahe Grumbach übergab er den am Tag zuvor von Harald aus der Selbitz gefischten Staffelstein an selbigen. Gewohnt verlässlich spulte der Vereinsvorsitzende seine 19,2km ab. Begleitet wurden die beiden ersten Läufer von Chris auf dem Fahrrad. Am Zollhaus Schildwiese wechselte nicht nur der Staffelstein seinen Besitzer sondern auch das Rad seinen Fahrer. Carsten übernahm den Laufpart und Alex schwang sich auf das Rad. Kurz vor dem schwersten Anstieg seines Laufes wurde Carsten von der Socken Busbesatzung ordentlich angefeuert. Spätestens an dieser Stelle wussten alle, laut sein können die Socken. Viele Stunden später stellte die Moderatorin im Ziel ebenfalls fest, „Die Roten Socken können nicht nur schnell, sondern auch laut.“ Zumindest mit letzterem hatte sie zweifelsfrei Recht.

Mit dieser extra Portion Motivation verging die dritte Etappe wie im Flug und vermutlich lag es auch am verlegten Wechsel und der damit kürzeren Etappenlänge, dass unser nächster Läufer Chris noch nicht am Wechsel stand. So vergingen gut zwei Minuten in denen Carsten verloren und suchend im Ziel stand, während Melanie und Alex versuchten unseren nächsten Läufer heran zu organisieren.

Nachdem der Wechsel dann irgendwann absolviert war, begannen die Leiden des jungen Christoph. Schon nach zwei Kilometern sah er eher so aus als hätte er schon den Rennsteigultramarathon absolviert und nicht als wolle er noch 17 weitere Kilometer dranhängen. Was dann spätestens ab Kilometer 6 folgte, war mit Totaleinbruch noch euphemistisch beschrieben. Alex auf dem Rad versuchte alle Motivationstricks von harte Hund a la Ede Geyer bis hin zur Waldorfschule. Das ganze gipfelte dann in folgendem Dialog: Chris: „Ich bin tot, ich kann wirklich nicht mehr.“ Alex: „Tut dir was weh?“ Chris mit wehklagender Stimme: „Ja, alles.“ Alex: „Siehst du, dann lebst du noch.“

Mit viel gutem Zureden und einer flexiblen Regelauslegung gelang es gerade noch den Ausschluss der Staffel am Wechsel in Masserberg zu verhindern. Fünf Minute länger und die Socken hätten die Staffel bereits an dieser Stelle beenden müssen.

Motiviert bis in die letzte Haarspitze stürzte sich Steffen in die schwerste Etappe des diesjährigen Rennsteiglaufes. Der Bitte des Läufers auf den ersten Metern Platz zu schaffen kam Alex mit den Worten: „Achtung, der hat viel Schwungmasse und kann nicht bremsen“ nach, was der Läufer mit einem herzhaften „Arschloch“ kommentierte. Die Pfähle für eine erfolgreiche Zusammenarbeit des Rad-Läufer-Teams waren eingeschlagen. Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet auf diesem Teilstück endlich ein Formelkompromiss zwischen Läufer und Radfahrer bezüglich des schönsten Bundeslandes der Welt erreicht werden konnte: Thüringen ist das schönste Bundesland südlich von Berlin und MV das schönste Bundesland der Welt nördlich von Berlin.

Wie ein junges Reh sprang Steffen von Stein zu Stein und überzog damit schon auf den ersten Kilometern. Am letzten ernstzunehmenden Anstieg sowie die folgenden vier Kilometer bis ins Ziel wurde er von der Radbegleitung wie gewünscht nach vorne gepeitscht. Alex gab den Manolo Saiz und brüllte sich mit „venga venga venga“ heiser.

Beim Wechsel in Allzunah war dann das nächste Mal so richtig Drama. Alex erdreistete sich Melanie zu fragen, ob er nach 52km vielleicht etwas Nachschub für seine Wasserflaschen haben könne, was diese damit kommentierte, für solche Befindlichkeiten sei jetzt keine Zeit, man muss sofort zum Wechsel nach Oberhof, wo 16 Uhr der Notstart erfolgte. Insofern können Alex und Steffen dankbar sein, dass der Eine doch noch etwas Wasser bekommen hat und der Andere, regungslos auf der Bergwiese liegende, noch in den Bus gezerrt wurde.

Trotz Staublunge und Wurzelwerk spulte Andrea ihre 20km souverän ab und holte nach der Hälfte der Strecke die Staffel Annakram ein, welche am Wechselpunkt noch vier Minuten Vorsprung besaß. Umso erstaunlicher war es, dass auf den letzte 4km das Besenmoped in Form eines SR50 hinter den Socken fuhr. Kurz vorm Ziel kam dann der eigentliche Hammer der Etappe, der nicht enden wollende Anstieg vom Rondell zum Grenzadler.

Als Andrea ankam, war Melanie begleitet von Jens, der die letzten vier Etappen auf dem Rad saß, schon längst unterwegs, müssen doch alle Staffeln spätestens 16 Uhr den Notstart vollziehen. Wenig überzeugt von Jens Zaubertrank, dafür mit viel Schwung auf den Abstiegen unterbot Melanie ihre Vorjahreszeit um fünf Minuten. Im Schlussspurt kassierte Melanie dank „purer Beinkraft“ noch zwei Konkurrentinnen.

Trotz einer Zerrung direkt nach dem Start spulte Frank, der uns früher bereits öfter auf dem Rad begleitete, die 8. Etappe hurtig ab. Der erfolgreichen Laufprämiere bei der Rennsteigstaffel soll im kommenden Jahr die Fortsetzung folgen. Caro, welche uns ab Oberhof logistisch unterstützte, zeigte sich vom Lauf ebenfalls begeistert und möchte im kommenden Jahr ebenfalls für die Socken starten, womit der Start in der Mixed-Wertung näher rückt.

Wolfram lief wie im letzten Jahr auch auf de „einfachsten Etappe“ (O-Ton von ihm selbst) und wollte nach eigenem Bekunden die „Schmach vom letzten Jahr“ vergessen machen. Trotz, dass seine Laufuhr ausfiel, steigerte er sich deutlich und rockte die Etappe. Dabei hatte er noch mit Motorradfahrern zu kämpfen, welche den Rennsteig mit einer Motocrossstrecke verwechselten.

Stefan, beseelt durch 24h U2 Dauerbeschallung im Bus, lief in diesem Jahr die Schlussetappe. Wie sollte es an diesem Tag anders sein als, dass auch sein geplanter Angriff auf den Etappenrekord der Socken scheiterte. Trotz eines permanenten Gefälles gibt es viele Stolperfallen und kleine giftige Gegenanstiege, sodass man auch die letzten 15 Kilometer nicht unterschätzen sollte.

Der Blick auf die Zielzeit gewinnt dann eine besondere an Dramatik, wenn man bedenkt, dass vor zwei Jahren noch das Ziel bestand mal unter 15 Stunden zu bleiben. Egal, nach 17:15:30h und mit Platz 221 von 233 brachen die Socken ihren Streckenrekord dahingehend, dass man noch nie so lange gelaufen ist.

Das Fazit lautete wie folgt: wir sind trotz einiger kritischer Situationen wieder im Ziel und haben die Staffel einfach deutlich länger genossen. Nächstes Jahr wird dann alles besser. So wie jedes Jahr.

P.S.: Dank unseres engagierten Bioweckers konnten wir am Sonntag unser Zielzeit für den Start um 30 Minuten verbessern. Rekord!

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